Berg- und Talfahrt in Bad Segeberg

Pünktlich um 9.00 Uhr hatten sich Hartmut Nehls, Heiko Rickert, Horst Mentlein und ich am LSV-Heim eingefunden. Rasch war entschieden:
Drei fahren schon los und holen Thomas Rosin in Stockelsdorf ab.
Ich wollte auf Martin Vogel warten und dann Andreas Teska auf dem Weg zur Autobahn einsammeln. Wer nicht erschien, war Martin ...


Schneller Anruf bei Andreas, und der wußte zum Glück, daß Martin selbstständig nach Bad Segeberg fahren wollte. 
Bisweilen wäre die Funktion "Antworten an alle" doch von Nutzen.

Trotz dieser "Hürde" waren Andreas und ich schon gg. 9Uhr40 am Spielort, Joachim Berger war ebenfalls bereits eingetroffen.
Dann der Bus mit Hartmut und "Co.", schließlich auch Martin, der etwas betroffen wirkte, ob der "Kommt er oder kommt er nicht"-Frage, die er uns gestellt hatte.

Als dann die Mannschaftsaufstellungen bekannt wurden, machte sich bei uns (mir) leichter Optimismus breit: Der Tabellenführer mußte auf einige Stammspieler
verzichten und somit hatten wir einen um mehr als 100 DWZ-Punkte höheren Schnitt. Was aber bekanntlich wenig zu bedeuten hat.

Die Eröffnungsphase zeigte noch wenig Konturen, aus meiner Sicht gingen sich unsere Weißpartien ganz gut an. 
An Brett 1 hatte Hartmut mit seinem Colle-Zukertort-Aufbau - also Damenbauernspiel mit b3/Lb2 - nur wenig erreichen können. Somit wunderte es nicht, daß er schon nach kaum einer Stunde
(und 14 Zügen) mit Jonas Westerhaus "Frieden schloß".
Deutlich ambitionierte wirkte der "Aufschlag" von Joachim, der gg. die Englische Verteidigung von Wolfgang Reher (1.d4 e6 2.e4 b6 3.Sc3 Lb4 4.Ld3 Se7 5.a3 Lxc3+ 6.bxc3 La6 7.Sf3 Lxd3) die originelle Idee
8.cxd3 aufs Brett brachte. Diese Bauernmasse im Zentrum wirkte schon beeindruckend, zudem die Idee, mit Ta2 diesen Turm über die zweite Reihe zum Königsflügel zu hieven.
Heiko an Brett 5 konnte mit seinem Damenbauernspiel mehr Druck aufbauen, denn sein Gegner Martin Reinke hatte etwas vorschnell den Läufer nach g4 gestellt. 
Jetzt schaltete Heiko clever um, spielte c4 und Db3 und zwang die schwarze Dame nach c8. Später folgte Se5 und der Läufer g4 hing "in der Luft". Weiß hatte ziemlichen Druck.
An Brett 7 mußte sich Martin mit einem weniger gebräuchlichen (aber nicht schlechten) Abspiel von Skandinavisch 1. e4 d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 Dd6 auseinandersetzen. 
Das gelang ihm "optisch" recht ansprechend, doch Patrick Henschen kannte den Stellungstyp gut und verteidigte sich umsichtig.

Unsere Schwarzpartien erlaubten uns recht schnellen Ausgleich, mehr nicht, aber auch nicht weniger.
Gegen den 1.d4-Aufschlag von Jan-Luca Griebenow an Brett 2 schien es mir zu "riskant", meinen Stonewall-Holländer zu spielen. Zu viele meiner Partien finden sich in der Datenbank. 
Also folgte ich der "Empfehlung" von Ullrich Krause und erprobte mal wieder den klassischen Holländer mit e6/f5 und frühem Se4. Nach einer kleinen Ungenauigkeit von Weiß kam ich rasch zu e6-e5, damit erlangt Schwarz eigentlich vollen Ausgleich. Doch irgendwie schätzte ich die Stellung falsch ein und schlug nach weißem e2-e4 wider besseres Wissen diesen Bauer. Danach hat Weiß volle Figurenkontrolle über das Feld e4 und die lange Diagonale h1-a8, nur mit Mühe ließ sich Bauernverlust vermeiden. Weiß konnte aber einen gedeckten Freibauer auf e5 etablieren, sehr unangenehm.
An Brett 4 hatte Horst gegen c4/Sc3 mit e5/f5 nebst Fianchetto g6/Lg7 ambitioniert gekontert, den Raumvorteil von Manfred Haß am Damenflügel federte er flexibel ab. Hier bahnte sich alsbald ein Bauern-Gegensturm am Königsflügel an, Grund zum Optimismus für uns.
Andreas an Brett 6 mußte sich in einem klassischen Königsindisch gegen den etwas "klebrigen" Aufbau mit h3 erwehren, das gelang ihm gg. Samir Sari recht gut. Nach Aufhebung der Zentrumsspannung mittels d4xe5 hatte Schwarz vollen Ausgleich.
Wie oft in diesen Stellungen drehte sich dann alles um die Besetzung des Feldes d4 durch Schwarz.
An Brett 8 sahen wir einen weiteren Königsinder, von Weiß (Helmut Krause) ohne besondere Ambition mit e3 und b3/Lb2 angelegt. Thomas kam mit Doppelfianchetto (also auch b6/Lb7) zu schnellem Ausgleich, aber kaum mehr. 
Ein Remisangebot in Zug 15 wurde also akzeptiert.

Nach 2,5 Stunden bahnte sich ein kleines "Drama" an: Zuerst "verstolperte" sich Joachim bei seinen Angriffsbemühungen und büßte (wohl ohne echte Kompensation) einen Bauern ein. 
Zudem war er in hochgradige Zeitnot geraten und überschritt dann deutlich vor dem 40. Zug die Zeit. 
Mir wurde danach ein Remis offeriert, nachdem mein Gegner sich nicht zu einem aussichtsreichen Läuferopfer auf c5 durchringen konnte. Da sich an keinem der anderen Bretter ein echter Vorteil für uns abzeichnete, beschloß ich, weiterzuspielen. Immerhin hatte ich 
mittlerweile ebenfalls einen Freibauer (auf a7) und der Läufer auf a3 biß "auf eigenes und gegnerisches Granit". Mein Springer c6 schien mir deutlich bessere Möglichkeiten zu haben, über e7 mit f5 oder d5 zu wandern.
Aber da waren ja leider noch zwei Damen auf dem Brett. Weiß manövierte geschickt und zwang mich, die Züge zu wiederholen. Unter beiderseitigem Zeitdruck versuchte ich unglücklicherweise, das zu vermeiden und wurde im 40. Zug mattgesetzt. 

Somit lagen wir zur ersten Zeitkontrolle 1-3 zurück und die übrigen Partien verhießen nicht, daß wir die drohende Niederlage noch abwenden würden. 

Zwar hatte Horst nach einer gegnerischen Ungenauigkeit die Qualität gewonnen, kam aber mit einem weißen Freibauern auf b5 nur schlecht zurecht. 
Irgendwie ging dann am Königsflügel ein schwarzer Bauer verloren, danach war die Stellung trotz Turm auf den zweiten Reihe wohl kaum noch zu gewinnen. Natürlich versuchte Horst noch alles Erdenkliche ...
Martin hatte seinen leichten Stellungsvorteil nicht nutzen können, sein Gegner kam immer besser ins Spiel. Deshalb war hier ein Remisangebot schwerlich abzulehnen - 3,5-1,5 für Bad Segeberg.

Was dann passierte, läßt sich nur schwer in Worte fassen: 
Heiko geriet in hohe Zeitnot, lebte quasi vom "Inkrement". Und das in einem anfangs völlig remislichen Turmendspiel, in dem Weiß lediglich über einen freien b-Bauern verfügte.
Doch sein Gegner ließ sich mitreißen, blitzte förmlich seine Gegenzüge und geriet unversehens in ein verlorenes Endspiel T+Bf6 / T bei abgeschnittenen König auf d7. Der schwarze Turm auf f3, Heikos König vor seinem Bauern, den er mühelos bis f7 vorbrachte.
Dann fand er aber das Gewinnmanöver Te4 nach e2 (oder e1) nicht und gab mit Td4+ / Ke6 / Ke8 den Bauern f7 preis. Doch zum Entsetzen seiner Mannschaftskollegen ging Schwarz an dieser Chance vorbei (Txf7 Te4+ Kf5 - deshalb Te2/1) und spielte Ke5. Nach Td7 Ke6 Te7+ hatte Heiko (fast) buchstäblich in letzter Sekunde gewonnen.
Dieser Sieg schien auf Andreas´ Gegner einen unguten Einfluß zu nehmen: Er geriet erneut in Zeitnot und opferte dann eher unmotiviert die Qualität auf d4. Dort hatte Schwarz einen Bauern etabliert, der stets drohte vorzubrechen und der schwarzen Dame f6 den Weg nach c3/b2 zu öffnen. Nach dem Opfer hatte Andreas wenig Mühe, ein aussichtsreiches Endspiel zu erreichen. Schließlich überschritt Weiß in Verluststellung die Zeit - es stand 3,5-3,5 und Horst führte unverzüglich den Remisschluß herbei.


Ende gut, alles gut - sicherlich wird sich Bad Segeberg fragen, warum hier ein Punkt "liegenblieb".