Vor etwa fünfzehn Jahren begab sich eine Delegation des Lübecker Schachvereins auf den Weg nach Dortmund, um dort die Viertelfinalbegegnung im Viererpokal auf Bundesebene gegen den SC Hansa Dortmund zu bestreiten. Wir hatten extra unseren Großmeister Lars Bo Hansen mitgenommen, der ansonsten nur bei Liga-Wettkämpfen für uns am Brett saß. Nach spannendem Verlauf mussten wir eine 1,5-2,5 Niederlage quittieren, was unter anderem daran lag, dass unser Großmeister (ich glaube, gegen IM Henrichs) verlor.

Am 1.Februar 2021 ergab sich die Gelegenheit zur Revanche, und zwar in der Deutschen Schach Online-Liga (DSOL). Dieses Mal mussten wir ohne einen Großmeister auskommen - am Start war neben den "üblichen Verdächtigen" in dieser Runde Rainer Noreisch, der seinen ersten DSOL-Einsatz in dieser Saison hatte.

Die Paarungen lauteten wie folgt:

Brett 1: Dr. Christian Scholz (2334) - Ullrich Krause (2189)
Brett 2: Wolfgang Burchert (2032) - Christoph Stäblein (2113)
Brett 3: Simon Krüger (1979) - Lisa Sickmann (1647)
Brett 4: Yi Lin (1837) - Reiner Noreisch (1726)

Von den Wertungszahlen her waren die Dortmunder also leicht favorisiert, aber die DSOL hat ja bekanntlich ihre eigenen Gesetze. Persönlich empfand ich es wieder als sehr angenehm, zur Abwechslung auch mal zehn Minuten lang über eine Stellung nachzudenken und bei meinen Mannschaftskolleg(inn)en vorbeizuschauen - das fehlt mir bei den Arena-Wettkämpfen auf lichess, wo jeder mehr oder weniger für sich alleine spielt.

Zum Kampfverlauf:

Mein Gegner wich dieses Mal im neunten Zug von meiner Vorbereitung ab, aber auch die danach entstehende Stellung hatte ich schon einige Male auf dem (Blitz-)Brett. Nach einigen Abtäuschen dachte ich eigentlich, dass ich etwas besser stehe, aber weder der rückständige c-Bauer noch die temporäre Fesselung auf der e-Linie ergaben etwas Greifbares. Im Turmendspiel war eher Schwarz am Drücker, so dass das Remis am Ende wohl in Ordnung geht.

Christoph spielte eine Empfehlung von John Watson aus dem Jahr 2010, an die er sich leider nicht mehr vollständig erinnern konnte. Das führte zu einem Endspiel, in dem er drei Bauern für eine Figur hatte, bei dem er aber (so war zumindest mein Eindruck während der Partie) ständig unter Druck stand und in höherem Sinne auf Verlust. Tatsächlich war die Stellung aber die meiste Zeit fast ausgeglichen und am Ende stand Christoph sogar besser, als er Remis anbot.

Lisa hatte nach ruhigem Eröffnungsverlauf das Läuferpaar im Endspiel und versuchte dann mit reinem Figurenspiel, also ohne Bauernhebel, die weiße Stellung zu knacken. Das gelang ihr nicht (vielleicht wäre 22...f6 nebst ...Lf7 und ...e5 eine Idee gewesen) und nach einigen Abtäuschen verlief sich dann auch noch der übriggebliebene Läufer in der weißen Stellung und ging dort verloren.

Rainer hatte nach der Eröffnung Vorteil, verlor aber durch ein unglückliches Manöver mit der Dame wertvolle Zeit. Schwarz griff dann sehr fantasievoll an beiden Flügeln an und auch wenn der Rechner bis kurz vor Schluss "Alles in Ordnung" anzeigt, war die weiße Stellung am Brett schwer zu verteidigen. Am Ende gewann dann ein Angriff auf den Turm a1 bei gleichzeitiger Mattdrohung auf g3, was noch einmal eindrucksvoll den Vorteil des Spiels auf beiden Flügeln verdeutlichte.

Nach dem Kampf gab es wieder die Analyse auf dem Discord-Server, an den ich mich allmählich gewöhnt habe und den ich nur empfehlen kann. Glückwunsch an die Dortmunder, die wie schon vor 15 Jahren verdient gewonnen haben! Wir lecken jetzt unsere Wunden und werden in anderhalb Wochen gegen den Verein des DSB-Vizepräsidenten Verbandsentwicklung antreten - vielleicht können wir dann wieder unsere Heimstärke ausspielen :-) Hier kann man alle Ergebnisse und Termine des Lübecker Teams einsehen: https://dsol.schachbund.de/mannschaft.php?s=2021&l=2c&m=3

Hier die Endstellungen und danach noch die Partien zum Nachspielen.